Es ist der Moment, auf den du gewartet hast. Du sitzt mit einem Freund beim Kaffee oder besuchst deine Familie und pitchst deine neue Geschäftsidee. Deine Augen leuchten, du erklärst die Features, das Problem, die Lösung.
Dann kommt die Reaktion: „Wow, das ist ja eine mega Idee! Das würde ich sofort nutzen.“
Du lehnst dich zufrieden zurück. Validierung geschafft. Die Welt braucht dein Produkt. Zeit, den Job zu kündigen und zu bauen, oder?
Stopp.
Du bist gerade in eine Falle getappt. Dieser Satz – so gut er sich auch anfühlt – ist oft der erste Schritt in den unternehmerischen Selbstmord. Hier erfährst du, warum Komplimente Gift für dein Startup sind und wie du stattdessen die Wahrheit ans Licht zerrst.
1. Die „False Positive“-Falle: Warum Komplimente wertlos sind
Wenn du Freunden, Familie oder sogar netten Kollegen deine Idee präsentierst, wollen diese Menschen vor allem eines: Dich nicht verletzen.
Sie lügen dich nicht böswillig an. Sie beschützen deine Gefühle. Wenn deine Mutter sagt: „Das ist eine tolle App, Schatz“, dann meint sie eigentlich: „Ich liebe dich und will, dass du erfolgreich bist.“ Das ist nett, aber es ist keine Marktvalidierung.
In der Startup-Welt nennen wir das ein „False Positive“.
Ein Kompliment kostet dein Gegenüber 0 Euro.
Ein Produkt zu kaufen, kostet echtes Geld.
Solange niemand sein Portemonnaie zückt oder eine verbindliche Anzahlung leistet, sind Aussagen wie „Tolle Idee“ nur eine soziale Währung ohne Wechselkurs. Sie blähen dein Ego auf, lassen dich Monate an Arbeit investieren, nur um beim Launch festzustellen: Niemand kauft es wirklich.
2. Die falschen Fragen: Warum die Zukunft eine Lüge ist
Der häufigste Fehler bei der Validierung (oder beim „Ideecheck“) ist die hypothetische Frage nach der Zukunft.
„Würdest du eine App nutzen, die dir hilft, dich gesünder zu ernähren?“
Jeder Mensch möchte sich gesünder ernähren. Jeder Mensch ist in seiner Vorstellung die optimierte Version seiner selbst. Die Antwort auf diese Frage ist immer: „Ja, klar!“
Wenn du fragst „Würdest du X tun?“, lädst du dein Gegenüber ein, über sein ideales Ich zu fantasieren. Aber das ideale Ich zahlt keine Rechnungen. Das echte Ich – das, das abends müde auf der Couch liegt und Pizza bestellt – trifft die Kaufentscheidungen. Hypothetische Fragen liefern dir hypothetische Kunden. Und die zahlen mit hypothetischem Geld.
3. Die richtigen Fragen: Der Blick in die Vergangenheit
Wie bekommst du also die Wahrheit? Indem du nicht über deine Idee sprichst, sondern über das Leben deiner Kunden. Das Prinzip nennt sich „The Mom Test“ (nach dem gleichnamigen Buch von Rob Fitzpatrick). Die Regel ist simpel:
Frag nie nach der Zukunft. Frag immer nach vergangenem Verhalten.
Vergangenes Verhalten ist der beste Indikator für zukünftiges Handeln.
Falsch: „Würdest du Geld für ein besseres Zeitmanagement-Tool ausgeben?“
Richtig: „Wann hast du das letzte Mal nach einer Lösung für dein Zeitmanagement gesucht?“
Richtig: „Wie viel hast du für deine aktuelle Lösung bezahlt?“
Wenn jemand sagt, das Problem sei „riesig“, er aber in den letzten sechs Monaten nicht einmal versucht hat, es zu lösen (nicht mal gegoogelt hat!), dann ist es kein echtes Problem. Es ist nur eine Unannehmlichkeit. Und für Unannehmlichkeiten zahlen Leute selten Geld.
4. Der „Ideecheck“-Praxistipp: Deine Checkliste
Bevor du die erste Zeile Code schreibst oder das Gewerbe anmeldest, geh raus. Sprich mit Leuten, die du nicht kennst. Und dann stelle ihnen diese drei Fragen, ohne deine Idee überhaupt zu erwähnen:
„Erzähl mir vom letzten Mal, als du [Problem X] hattest.“ (Hör gut zu: War es wirklich schlimm? Welche Emotionen kommen hoch?)
„Was hast du unternommen, um das Problem zu lösen?“ (Haben sie gegoogelt? Eine Excel-Tabelle gebaut? Jemanden bezahlt? Wenn sie nichts getan haben, ist das Problem nicht dringend genug.)
„Was genau hat dich an dieser Lösung gestört?“ (Hier findest du deine Nische. Wenn sie sagen „Es war zu teuer“ oder „zu kompliziert“, hast du deinen Ansatzpunkt.)
Fazit: Validierung bedeutet nicht, Bestätigung für deine geniale Lösung zu suchen. Validierung bedeutet, wie ein Detektiv nach Beweisen für ein echtes Problem zu suchen. Wenn du lernst, Komplimente zu ignorieren und stattdessen nach schmerzhaften Fakten zu graben, hast du den ersten echten Schritt zum erfolgreichen Unternehmen gemacht.